Softwarelokalisierung und Kontext

Ich habe bereits erwähnt, dass ein GUI-Texter/Übersetzer einfach nur eine Datei mit Text bekommt, im schlimmsten Fall eine ellenlange Datei mit Tausenden von Einträgen. Die Schwierigkeit hierbei ist nun, dass man gar nicht weiß wo der Text genau erscheint, in welchem Kontext er sich befindet, wenn man einfach nur die Datei vor sich hat. In manchen Fällen macht es das sehr schwer, überhaupt einen Text zu formulieren, der in diesem Kontext Sinn macht und man hat auch das Problem, dass man nie weiß, ob der Text in der GUI überhaupt genug Platz hat (z.B. „Publish“ versus „Veröffentlichen“: hier ist das deutsche Wort fast doppelt so lang).

Beispiel für die Folgen von Kontextarmut

Das Kontextproblem ist den meisten, die mit der Thematik kaum in Berührung kommen, nicht sofort verständlich. Für diese Fälle habe ich mein Lieblingsbeispiel aus der Praxis parat, das ich auch euch nicht vorenthalten möchte. Es führt klar und deutlich vor Augen, was fehlender Kontext bedeuten kann:

Der Ausgangs-Dialog:
html1

Was der Übersetzer sehen konnte, war einfach nur Text  (vereinfachte Version):

html_translator

Was am Ende dabei rauskam:

html2

Die Moral von der Geschicht: Übersetzen geht ohne Kontext nicht!

Wenn der Übersetzer des obigen Beispiels den Dialog vor sich gehabt hätte, wäre wohl kaum dieses Ergebnis rausgekommen. Es ist also dringend notwendig, dass ein Übersetzer den Kontext zu sehen bekommt.

Wie bekommt der Übersetzer den Kontext?

Das Allerbeste wäre eine Lokalisierungssoftware, die dem Übersetzer ein so genanntes „In-Place Editing“ erlaubt, d.h. der Übersetzer öffnet bspw. einen Dialog der zu übersetzenden Applikation und kann direkt an Ort und Stelle den Text ändern. Dabei stehen im in der Regel auch Translation Memories zur Verfügung. Gängige Namen für Lokalisierungssoftware sind hier „Passolo“ oder „VisuaLocalize“. Allerdings ist der Einsatz solcher Software bei den heutzutage hochdynamischen Web-Applikationen äußerst schwierig, da hier Seiten und Elemente zur Laufzeit generiert werden und eine ständige Verbindung zu anderen System haben müssen (deswegen bin ich auch gespannt auf den Vortrag „LOC13 Visual localization of web-based application“ auf der tekom-Tagung). Wenn man dann auch noch mehrere Applikationen übersetzen muss, die auch noch unterschiedliche Basistechnologien einsetzen, wird es richtig kompliziert.

Eine andere gute Lösung für den Übersetzer ist eine Testversion der Software oder ein Testzugang der Webseite in der Quellsprache. Wenn das nicht möglich ist, dann sollte man zumindest Screenshots mitliefern. Und wenn das auch nicht praktikabel ist, muss ein Lektor her, der die übersetzten Texte in der GUI überprüft und bei Fehlern dann auch das Translation Memory aktualisiert.