Was soll ich schreiben?

Hey, als technischer Redakteur ist das doch eine einfache Frage: „Dokumentier halt, was man mit dem Produkt machen kann und was man nicht machen sollte.“  Soso…

„Dazu braucht man doch keine Hilfe!“

Ich habe gerade das erste Mal nach langer Zeit mal wieder ganz von Grund auf Hilfe zu einem neuen Produkt geschrieben. Und zwar für ein Produkt, das richtig schön zu bedienen ist. Bei dem man als Nutzer denkt: „Woohoo, wie konnten sie nur wissen, dass ich genau sowas will!?“

Tatsächlich erschließen sich die Basisfunktionen der Applikationen fast wie von selbst. Kurzum: es hat Spaß gemacht, dieses Arbeitsfeld zu erfassen. Daher hab ich auch oft gehört, dass ich doch dieses oder jenes nicht zu dokumentieren bräuchte, weil es doch wirklich selbsterklärend sei.

„Formatieren Sie Ihren Text fett.“

Ich fing also an alle Tasks zu erfassen, die man als Nutzer so machen kann. Sollte ich nun wirklich dokumentieren soll, wie man in einem Texteditor seinen Text fett oder kursiv formatiert? Mein Gott, das weiß doch JEDER. Hier fand ich die Bestärkung es doch zu tun:

[…] we have to cover every topic—yes, even niche topics—in fact, especially the niche topics. Perhaps only five users might ever read a particular topic, but if that’s the topic they need and we get them there fast, their customer satisfaction level shoots through the roof. (Mike Hughes)

[…] Help needs to be a mile wide—it must cover everything—and 30 seconds deep—tackling only small amounts of detail at any given point.

Wenn wir alles dokumentieren, heißt das auch, dass wir den Nutzer mit allem konfrontieren. Ich ganz persönlich finde es belustigend, aber auch ärgerlich, wenn mir jemand einen Text entgegenwirft mit einer Anleitung wie ich Text fett formatiere. Ich brauche das nicht, ich will das wirklich Wichtige wissen.  Das heißt, man muss nach dem Schreiben noch den richtigen Weg finden, die Information zu strukturieren und anzubieten, und sei es nur eine wirklich gut funktionierende Suche (und DAS ist echt nicht selbstverständlich).

Nur noch 30 Sekunden

Ich glaube es wirklich, dass nach 30 Sekunden, wenn nicht soga weniger, der Nutzer genug hat. Aber manchmal ist das schwer in Einklang zu bringen, dass man dem Nutzer auch sinnvolle Information mitgeben will. Angenommen ich habe eine Konfigurationsseite und möchte dem Nutzer genug Entscheidungshilfen an die Hand geben; das wird einfach etwas länger werden, wenn ich nicht nur Handlungen nacherzähle. Das Dilemma, dass man als Nutzer Hilfe möchte, aber eben schnell, wird sich wohl nie wirklich auflösen.

Was soll wirklich drinstehen?

Oft genug findet man Anleitungen, in denen einfach nur die Oberfläche nacherzählt wird. Aber mal ehrlich, ein bisschen mehr Grips haben unsere Leser in der Regel schon. Warum erzählen wir Ihnen nicht einfach das, was sie wirklich nicht wissen können?

  • Wie ich schon festgestellt habe, sollte man das absolut Offensichtliche weglassen, also den Nutzer eben nicht darauf hinweisen, dass er mit dem Speichern-Button doch tatsächlich seinen Text speichert!
  • Das nicht Offensichtliche erwähnen, wie etwa, dass man ein Objekt zusätzlich auch über Drag&Drop bewegen kann und nicht nur über die Schieberegler.
  • Man sollte nicht bloß nacherzählen WIE der Nutzer etwas machen kann, sondern WARUM er was machen könnt. Das heißt:
    • Entscheidungshilfen  geben:
      „Wenn Sie Ihr Blog auch für Suchmaschinen sichtbar machen, kann es prinzipiell vom jedem gefunden werden. Bei einem privaten Blog sollten Sie Suchmaschinen besser blockieren.“
    • sinnvolle Starthilfen / Beispiele geben:
      „Zeigen Sie am besten maximal 5 Artikel pro Seite an, damit die Seiten nicht zu lang werden und damit unübersichtlich werden.“

Fazit

Hey, wenn die Daseinsberechitgung eines Texts angezweifelt wird, werde ich ab sofort heroisch jedem Produktmanager, Conceptioner & Co. sagen: „Wenn ich auch nur einem Kunden damit weiterhelfen konnte, dann hat sich dieser Hilfetext gelohnt.“

Mein wichtigstes Fazit ist für mich den Nutzer nicht nur mit „Tu dies – klick das“ zu konfrontieren, sondern auch mit „Tu dies – das ist für jenes nämlich gut!“ Und dabei trotzdem im Blick zu behalten, diese Infos nicht zu überbordend zu gestalten.