Muttersprachen-Prinzip

Mein letzter Blogpost wurde netterweise von Sarah O’Keefe übersetzt und im Scriptorium-Blog „wiederverwendet“. In Anbetracht der durchaus großen englischsprachigen Blog-Szene im Bereich Technische Redaktion habe ich mir schon oft überlegt auf Englisch zu schreiben, weil ich damit vermutlich ein größeres Publikum erreichen würde. Und Sarah hätte hier einfach nur verlinken können 😉

Warum ich es nicht mache? Deutsch ist meine Muttersprache. Mein Englisch ist durchaus gut – ich habe ein recht gutes Sprachgefühl und kann einigermaßen flüssige Konversationen halten, wenn ich mich warmgeredet habe. Aber es kostest mich unglaublich viel mehr Zeit einen englischen Text zu verfassen, der in Inhalt und auch Ausdruck genauso rüberkommt wie eine deutsche Version. Da steht mir mein englisches Sprachgefühl sogar ein bisschen im Weg, weil ich irgendwie merke, wenn der Satz nicht passt, aber es nicht besser machen kann. Am Ende kann ich mir nicht sicher sein, dass der Text wirklich so rüberkommt, wie ich es mir gedacht habe, weil dafür dieses letzte Stück Sprachgefühl fehlt, das man nur bekommt, wenn man in der entsprechenden Kultur lebt oder aufgewachsen ist. Ganz zu schweigen davon, dass der enorme Zeitaufwand das Schreiben an und für sich vermutlich sehr schnell komplett lähmen würde…

Für mich heißt das „Muttersprachen-Prinzip“ Texte ausschließlich in meiner Muttersprache zu verfassen, für einen Übersetzer heißt es ausschließlich in seine Muttersprache zu übersetzen. Am eigenen Leib erfahre ich oft, dass ich nur nach diesem Prinzip schreiben sollte. Doch immer wieder lese ich in Stellenanzeigen für Technische Redakteure die Anforderung „Dokumentation in deutscher und englischer Sprache“ verfassen. Und jedes Mal bin ich ein klein wenig ärgerlich, dass solche Anforderungen gestellt werden. Ein Grund für die Firmen ist sicherlich, dass es kostengünstiger und schneller ist, den Quelltext sofort in Englisch zu erstellen. Gerade wenn man in „exotischere“ Sprachen (asiatische Sprachen zum Beispiel) übersetzt, ist es leichter Übersetzer mit dem Sprachpaar „Koreanisch-Englisch“ zu bekommen als „Koreanisch-Deutsch“.

Fazit
Ich glaube, der Endkunde wird es immer irgendwie merken, wenn ein Nicht-Muttersprachler einen Text geschrieben hat. Zumindest hab ich die Erfahrung schon oft gemacht. Viele beachten diesen Aspekt nicht, wenn es um das Schreiben oder Übersetzen geht, bzw. ist er ihnen nicht bewusst. In der Realität sieht es nun aber leider doch so aus, als ob man als deutschsprachiger Redakteur auch immer öfter Englisch schreiben muss. Zu Lasten der Qualität… Aber vermutlich setzen hier viele Firmen auf das oft zitierte „Gut genug“.

3 Gedanken zu „Muttersprachen-Prinzip“

  1. Ich bin deutscher Muttersprachler und schreibe seit Jahren fast nur Doku in Englisch, die inzwischen von Kollegen und früher auch von mir selbst ins Deutsche übersetzt wurde.

    Das Problem des „gut genug“ kenne ich durchaus, meine aber, dass es auch ESLern (English as a Second Language) gelingt, größtenteils klare und richtige Sätze zu formulieren, die nicht mehr Fehler aufweisen als solche von Muttersprachlern. Wir ESLer machen vielleicht andere Fehler, aber nicht mehr… 🙂

    Ein weiterer Aspekt ist allerdings, dass auch für viele meiner Leser Englisch nicht die Muttersprache ist. Für diese (und auch manchen Muttersprachler) musste ich mein Englisch nach meinem Amerikanistik-Studium anpassen, indem ich stilistisch „wertvollere“ Vokabeln durch einfachere ersetzte. Insofern bevorzuge ich nun klares, einfaches und hoffentlich korrektes Englisch gegenüber dem vielfältigeren, gegebenenfalls falschen.

  2. Ich bin mir nicht so sicher, daß Leser immer technische Doku identifizieren können, die von Nicht-Muttersprachlern geschrieben wurde.

    Wie Kai sagt, geht es in der Doku oft um vereinfachtes Englisch. Deutsche, die auf Englisch schreiben, erstellen gerne komplizierte Grammatik, und diese Satzstruktur fällt mit der Vereinfachung aus.

    Bei einem Blog sieht es anders aus. Hier geht es um die Autorenstimme — und wenn Du glaubst, daß Deine Stimme nur im Deutsch richtig klingt, dann solltest Du auf Deutsch schreiben.

  3. Mir ging es gar nicht so darum, dass ESLer (übrigens sehr lustige Kreation, Kai) mehr Fehler machen. Vermutlich weniger als manch Muttersprachler 😉
    Ich denke, es sind oft nur kleine Nuancen in der Wortwahl oder der Satzstellung, die den Nicht-Muttersprachler „entlarven“ (was aber jetzt nicht negativ gemeint ist). Diese kleinen Nuancen haben mir Lektoren bei solchen Texten mit dem Hinweis „Würde man in den USA nicht unbedingt so sagen, aber ansonsten ok.“ versehen. Leider hab ich kein Beispiel parat, dass ich veröffentlichen kann, aber ich halte die Augen offen 😉

    Allerdings muss ich euch absolut Recht geben, dass ESL-Autoren speziell in der Doku wohl kaum bemerkt werden, wenn stark standardisiert und vereinfacht wird (z.B über kontrollierte Sprachen).

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