tekom-Jahrestagung 2008 #4

Sarah O’Keefe: The Implications of Web 2.0 for Technical Communicators

Hm, noch ein Web 2.0-Vortrag? Ich hatte mehrfach gehört, dass Sarah gute Vorträge hält, also habe ich in Kauf genommen eventuell wieder zu hören, was ein Wiki oder Podcast ist 😉

Erfreulicherweise ging der Vortrag aber wirklich auch in die Richtung, wie wir als Redakteure die Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen können und was wo Sinn machen könnte.

The distinction between producer and end-user vanishes.

Das ist meiner Meinung nach eine sehr wichtige Aussage, deren Umfang noch viele Leute nicht erfasst haben. Viele schreien nur bei der Erwähnung eines Forums oder einer Kommentarfunktion für die Hilfe: „Oh mein Gott, dann schreiben doch bestimmt auch viele: ‚Ihr seid blöd.'“ Ja, das wird sich auch passieren. Aber: man hat es selbst in der Hand das dann auch zu änderen.

Prinzipiell kann inzwischen jeder etwas im Netz produzieren. Wenn man aber selbst dem Nutzer keine Möglichkeit gibt, sich zur Doku zu äußern oder vielleicht auch sogar etwas dazu zu produzieren, kann er es auch ganz einfach woanders machen. Zum Beispiel in irgendeinem anderen Forum, wo er tatsächlich einen Hinweis darüber hinterlassen kann, wie blöd er doch die Firma findet. Kann der Nutzer sich aber direkt im Firmenumfeld äußern, hat man selbst eine bessere „Kontrolle“ und erfährt aus erster Hand, was für positive Erfahrungen aber auch Probleme es gibt.

Hier haben wir kurz darüber diskutiert, dass die meisten Leute Hilfe googlen. Und mal ehrlich: wie oft passiert es, dass man dann auf der Seite des jeweiligen Herstellers landet? Aber genau das möchte doch eigentlich jeder Hersteller, inklusive seiner Redakteure.

Von den Zuhörern hatten nur sehr wenige ihre Doku überhaupt frei für Suchmaschinen zugänglich im Netz und genau eine einzige Dame hat sich in diesem Zusammenhang überhaupt mit SEO beschäftigt.

How do you provide user assistance in the midst of chaos?

  • Web 2.0 steht für spezifische, gerne auch emotionsbehaftete, keineswegs vollständige und mitunter auch veraltetet Information.
  • Die traditionelle Doku deckt möglichst alles ab, ist neutral und wird (im Idealfall) regelmäßig aktualisiert.

Um es kurz zu machen: man sollte auf eine Mischung aus der traditionellen Doku und den Web 2.0-Möglichkeiten setzen. Beide Welten decken unterschiedliche Bedürfnisse ab.

Um die Grundprinzipien eines Produkts zu verstehen, ist eine normale Hilfe perfekt. Ein fortgeschrittener Nutzer hat vielleicht irgendein seltsames Problem und würde gerne in einem Forum schauen, ob andere das auch schon hatten. Der Power-Nutzer interessiert sich nicht für die Kinkerlitzchen, sondern will gute Tipps, Best Practices für den Einsatz eines Produkts – etwas was in kaum einer Doku umfassend zu finden sein wird.

Oder um es grafisch zusammenzufassen (Quelle: http://www.scriptorium.com/whitepapers/web2/web2_2.html):

Ich liebe diese Grafik, weil sie genau das widerspiegelt, was ich seit längerem im Kopf habe 🙂

Motivation

Das ist natürlich immer ein Problem im Web 2.0 – man denke nur an Wikis! Folgende Möglichkeiten zur Motivierung der Nutzer kamen während des Vortrags dazu auf:

  • Bewertungsmechanismen
  • Honorierung der aktivsten User (hier war nicht Geld gemeint, sondern eher eine Sonderstellung)
  • Private Foren: Das kam aus dem Publikum und der Besucher erzählte, dass er sehr gute Erfahrungen damit gemacht hatte, das Forum einfach zu etwas Exklusivem zu erklären zu dem nicht jeder Zugang hat. Das werde ich mir mal vor allem für die Experten / Power-Nutzer-Geschichte merken.

Bedenkenswert

  • Suche: eine der meistgenutzten Navigationen durch Hilfe. Idealerweise durchsucht sie dann allen Informationenarten, die man anbietet (Hilfe, Forum, Wiki, Blog, White papers…). Bei diesen versch. Medien wird es aber sehr schwer, passende Suchalgorithmen zu finden.
  • Haftung: wer haftet, wenn im Forum etwas steht, was total falsch ist?
  • Korrekturen: was macht man eigentlich mit Kommentaren, die auf Fehler im Hilfetext hinweisen, wenn man den Fehler korrigiert hat? Lässt man sie stehen oder verwirren sie nachkommende Leser?

Fazit

Ein sehr gelungener Vortrag. Vor allem, weil eben nicht nur mit Buzzwords jongliert wurde, sondern tatsächlich ein sehr schönes Konzept dahintersteht. Letztendlich bietet das Web 2.0 viele nette Spielereien, aber für uns als Redakteure müssen sie immer einen Zweck erfüllen: die Bedürfnisse des Nutzer möglichst abdecken.

Wer die Folien zum Vortrag sehen möchte, möge sich bitte zum Scriptorium-Blog begeben. Achtung, die Folien sind im Flash-Format und daher etwas schwerfällig und unpraktisch. Aber der Inhalt entschädigt 😉