tekom-Jahrestagung 2008 #2

Was User lieben, was sie hassen
von Peter Hogenkamp (Zeix AG)

Dieser Vortrag war sehr gut besucht – und das zu Recht.

Peter startete den Vortrag mit einer Anekdote darüber, dass er auf dem Weg zur Tagung verzweifelt versuchte die Uhr seines Mietwagens auf Winterzeit zu stellen. Dumm nur, dass Toyota sich bei diesem Auto gedacht hat, dass man diese Aktion aus Sicherheitsgründen nur bei stehendem Auto durchführen darf 😀

Der Vortrag hat sich auf 4 große Bereiche konzentriert.

Suche
Inzwischen ist Google ja das Synonym für Suchen im Netz schlechthin. Jeder mag Google! Und jeder will so etwas Einfaches und gut Funktionierendes wie Google. …oder jedenfalls glaubt jeder, dass er Google will, so Peter.
Denn Google ist absolut prima bei so etwas schwach strukturiertem wie dem Internet, ABER wenn es sowieso darum geht strukturierte Daten zu durchsuchen, sollte man eine differenzierte Suche anbieten. Das heißt, wenn eine Suche über Adressdaten mit Straße, Ort, Telefonnummer etc. läuft, kommen User eher zum Ziel, wenn man ihnen für jeden Datentyp ein dediziertes Suchfeld zur Verfügung stellt. Obwohl sie selber sagen, dass sie sich eigentlich nur ein einziges Feld wünschen.

Gerade der letzte Satz hat mich ziemlich zum Nachdenken darüber gebracht, was man eigentlich so von Userumfragen zu halten hat.

Nutzer verhalten sich aus Entwicklersicht unlogisch.

Kicher… Wer mal einen Usabilitysicht mitgemacht hat, weiß was das heißt! 😉 Beispiel zu dieser Aussage: Die meisten Nutzer ändern bei einer nicht erfolgreichen Suchanfrage ihre Anfrage so, dass sie die bisherige Anfrage um weitere Suchwörter erweitern, anstatt dass sie ganz andere Suchwörter benutzen, wie es ja eigentlich logisch wäre. Der Gedankengang dahinter ist äußerst menschlich: „Na, wenn ich der Suche noch mehr Information zu dem Gesuchten gebe, findet sie’s vielleicht besser.“

Web 2.0 und die Nicht-Standard-Falle
Hier hat Peter einen kurzen Überblick darüber gegeben, was Ajax eigentlich ist und was es konkret für die Nutzer bedeutet. Und dann hat er sich der sog. „Nicht-Standard-Falle“ gewidmet. Sehr guter Begriff, btw 🙂

Sehr gut fand ich dann die Negativbeispiele, die er angeführt hat. Es ging dabei vor allem darum, wie sich die Entwickler oder Conceptioner vor lauter Ajax-Möglichkeiten dazu verleiten lassen, alterhergebrachte, weit verbreitete, gute funktionierende Funktionen und Metaphern mit Ajax-Füßen zu treten.

  • oftmals kein Springen durch Formularfelder mithilfe Tabulator möglich
  • bei Drop-down-Menüs bewirkt das Eintippen von Buchstaben/Zahlen nicht, dass das Menü zum Buchstaben/zur Zahl springt
  • bei Scroll-Balken funktioniert nur der Balken, aber nicht die kleinen Pfeile an den Enden des Balkens

Kurz: man baut sich alles neu, weil man’s kann und vernachlässigt dem User vertraute Standards.

Mobiles Internet

Hier ging es ein bisschen um die Zukunftsmusik, das wir nun zunehmend mobil im Internet unterwegs sein werden und wie gerade das iPhone dieser Entwicklung einen gewaltigen Schub versetzt hat. dafür sind aber viele Websites noch nicht gerüstet. Denn wer einmal versucht sich beispielsweise die tekom-Seite auf dem iPhone anzuschauen, kommt aus dem Scrollen nicht mehr raus (das hat für einige Lacher gesorgt…). Ein mobile Theme, das automatisch auf die Seite angewandt wird, wenn sie von einem mobilen Gerät aus angeschaut wird, wäre hier Gold wert.

Darüber hinaus kam auch noch Kritik an den Mobilfunk-Providern auf den Tisch, die mit unattraktiven Tarifen die „mobile Revolution“ noch einschränken.

We tend to overestimate the effect of a technology in the short run and we tend to underestimate the effect in the long run. (Amara’s law)

User-centered design

Für dieses Thema blieb leider nicht mehr viel Zeit. Peter stellte vor, wie Usability eigentlich idealerweise in Projekte miteinbezogen werden sollte. Und auch hierbei war, wie gerade überall, das Zauberwort: iterativ.

Man sollte so früh wie möglich im Entwickungszyklus mit Prototypen beginnen. Sei es anfangs nur Papier, dann irgendwann billige HTML-Seiten oder Flash-Prototypen. Hauptsache, die Produktentwickung bezieht ihre Zielgruppe mit ein: die User!

Fazit

Ein sehr lohnenswerter Vortrag bei dem viel gelacht wurde und man einiges Interessantes erfahren konnte, gerade die Sache mit der Suche und der Nicht-Standard-Falle fand ich sehr am Puls der Zeit. Man muss vor lauter Hipness eben auch ein bisschen am Boden bleiben 😉

Ich habe mir eigentlich mehr Bezugnahme zur technischen Dokumentationen erwartet: also was lieben User an der Doku und was hassen sie, aus Usability-Sicht. Der einzige Bezug wurde am Ende kurz eingeworfen: Prototypen könnten ja auch für neue Hilfeformen gemacht werden, um sie dann am User zu testen. Davon noch mehr und ich wäre galaktisch begeistert gewesen 😉

Wer mehr wissen möchte und Lust auf ein paar Usability-Schmankerl hat, möge hier reinschauen: http://blog.zeix.com.

tekom-Jahrestagung 2008 #1

So, drei anstrengende Tage liegen hinter mir… Ich weiß gar nicht wo ich eigentlich am besten anfangen soll… Deswegen fang ich mal mit Vorträgen an, die ich besonders gut fand.

Analyzing User Assistance Deliverables: Developing Your Optimum Documentation Library – Nicoletta Bleiel

Das Hauptaugenmerk des Workshops lag auf den verschiedenen Arten von Hilfepublikationen. Der Titel ließ mich anfangs hoffen, dass es vor allem darum gehen würde, wie man für sich rausfinden kann, welche Publikationen für einen am besten sind.
Hier hat sie eigentlich nicht viel Neues erzählt

  • Interview mit dem Support, Schulungstrainern, Power Usern
  • Lesen von Kundenforen
  • Vor-Ort-Besuche (den Nutzer in der Situation beobachten in der er das Produkt benutzt)

Andererseits hätte es mich fast schon gewundert, wenn sie mir hätte viel mehr erzählen können. Das Problem ist ja nicht gerade neu 🙂

Hilfe vor 2.0

Damit war dieser Teil auch schon vorbei und der Hauptteil beinhaltete einen Rundumschlag von den althergebrachten Hilfeformaten bis hin zu allerlei Web 2.0.-Technologie abgeliefert. Und das war auch ziemlich cool.
Die Historie der Hilfeformate war echt interessant. Dazu hat sie eine kleine Matrix ausgegeben in der sie alle Publikationsformen des Vortrags mit Details, Vor- und Nachteilen gelistet hat.

Angefangen hat es bei QuickHelp und WinHelp, die weit vor meiner TechRed-Zeit waren. Und weiter ging es mit dem „Assistance Escalation Path“, der von Microsoft entwickelt wurde:

  • Well designed UI
  • Assistance directly in UI
  • Help pane and help center
  • user community
  • Support

Tja, ich hätte ja von Microsoft nicht gedacht, dass da auch so schlaue Sachen bei rauskommen. Aber in der Tat ist das Konzept für die „Longhorn help“ ziemlich cool und auch genau mein Plan für die Zukunft 🙂

Das war die „traditionelle“ Welt, also das Leben vor 2.0.

Wie aktiv ist das „read/write“ web?

Zum Leben in 2.0 hat sie einen super Überblick über alles gegeben, was irgendwie zu diesem ominösen Phänomen gehört. Beim Thema „read/write web“, also das Internet in dem man sich selbst aktiv beteiligen kann anstatt zu lesen, ging es auch um die Participation inequality. Ich kannte dieses Begriff bisher nur von Jacob Nielsen, der die 1-9-90-Regel aufgestellt hat. Was so viel heißt, wie 1% der User beteiligt sich sehr stark, 9% ab und an und 90% sind lediglich Leser oder Zuschauer. Das heißt, es kann zwar jeder mitmachen, aber die wenigsten tun es wirklich.
Umso erstaunter war ich mit diesem Vorwissen als Nicky eine aktuelle Analyse von Forrester zeigte, in der diese Zahlen deutlicher positiver ausfielen, d.h. Dass es in der Regel sogar 18% an aktiven Usern gibt. Forrester bietet auf der Webseite außerdem ein kleines Profililing-Tool, in dem nachprüfen kann, wie sich die Beteiligung auf eine bestimmte Altersklasse in einem bestimmten Land aufteilt. So dass man quasi für seine Zielgruppe nachprüfen kann, ob es sich überhaupt lohnt, seinen Nutzern aktives Web zu bieten.

Wikis, blogs and social networking

Weiter ging es natürlich mit Wikis, wobei mich wieder ein klein wenig das DITA-Wiki-Fieber packte 🙂 Dabei erwähnte sie, wie sie einmal ein Wiki einführen wollte. Um die Leute wohlgesonnen zu stimmen, gab sie eine Hawaii-Party mit Cocktails und Barbecue (wikwiki heißt ja „schnell, schnell“ auf hawaiianisch). Und dann kam sie zufällig mit dem Wiki um die Ecke und streute die Saat auf der Party. Fand ich großartig 😀

Natürlich kamen auch zur Sprache: Podcasts, Blogs, Social Networks, RSS. Das Schöne war hier, dass sie hier immer wieder Anstöße gegeben hat, dass man einfach mal für sich abprüfen sollte, ob man irgendetwas davon benutzen kann, um Produktinformation zu verbreiten. Viele dieser Medien würden zwar wohl eher für Marketing passen, aber man solle den TechRed-Gedanken hier auch mal weiterdenken. Beispiele waren hier: Blogs zu einem bestimmten Microsoft-Produkt, in denen Mitglieder aus diesem Produktteam über neue Feature oder Verwendungsmöglichkeiten bloggen. Produkttrainings, die über Podcasts oder Vodcasts verbreitet werden. Oder auch Facebook-Gruppen zu bestimmten Produkten. Sehr witzig fand ich auch dass HP beispielsweise twittert oder es eine myspace-Seite für Kraft Scheibletten gibt (die heißen in den USA natürlich anders, aber das hab ich schon wieder vergessen…).

Fazit

Es hat mich zumindest dazu gebracht mal wieder ein Stück weiter über den Tellerrand zu schauen als ich es schon tue 😉

Der Rundumschlag war auf jeden Fall sehr gut für Leute geeignet, die in diesem ganzen Web 2.0-Wahnsinn noch gar nicht so drin waren oder gar nicht über eine Verknüpfung mit TechRed nachgedacht haben. Selbst für mich gab es hier einige interessante Neuheiten zu erfahren. Supergut war, dass Nicky den Folientext auf Handouts gepackt hat und außerdem noch irreviel Links zu allen Themen mitgegeben hat. Der Vortrag wurde wohl schon mal in auf der DocTrain gehalten (allerdings hat sich bis zur tekom noch einiges daran geändert) und so sah das aus: